«Als ich 10 war, kam mein Bruder zur Welt. Das war das pure Glück für die ganze Familie, Mein Vater war stolz, und da sind wir nochmals als Familie zusammengewachsen. Und, es war mein Kind. Also, der war immer bei mir. Jede freie Minute, wenn ich schulfrei hatte: gehen wir Velo fahren? Gehen wir Bagger schauen? Und meine Mutter liess mich machen, sie übergab mir viel Verantwortung mit dem Kind.
Und dann, drei Jahre später, verunglückten Vater und Bruder tödlich. Etwas Unfassbares, vor Allem für meine Mutter: da hat sie ihren Mann und ein Kind verloren und hat die Dienst-Wohnung verlassen müssen, und hat zwei pubertierende Töchter. Heftig! Darum konnte sie sich wohl um uns nicht so kümmern, wie man es heute vielleicht tun würde, z.B. Hilfe von aussen holen.
Und ich war so-was-von-einsam - obwohl meine Grossmutter da war, und das ganze Dorf wirklich Unterstützung gab, das habe ich sehr tief erlebt. Und die Kirche gab mir auch Halt. Die Rituale der Kirche halfen mir, nicht irgendein bestimmter Pfarrer oder das Beten, oder ein Glaube. Nach 30 Tagen die schwarzen Kleider ausziehen dürfen und auch wieder lachen dürfen, das ist ein gutes Ritual.
Und die neue Schule im Internat in Menzingen war an sich super: Lehrerinnen, Freundinnen, das war genial, ich habe gelernt, ich habe sogar in der Freizeit Physikaufgaben gelöst, weil wir einen Lehrer hatten, der begeistern konnte.
Aber indirekt wurden mit diesem Tod auch meine Ausbildungspläne über den Haufen geworfen.»
Nach einem Jahr Sekundarschule im Internat des Klosters Menzingen weigert sich die aufgeweckte Schülerin, weitere fünf Jahre Lehrerinnenseminar im Internat zu verbringen, eingeengt von der rigiden Lebenshaltung der Nonnen.
Der Vater hätte wohl darauf bestanden, die Mutter war machtlos. Man hat dann die Verlegenheitslösung der Arztgehilfinnenschule Minerva in Zürich gefunden. Der Schulabgängerin waren Berufswahl und Ausbildung nicht sehr wichtig, hingegen war der Wunsch, wieder einen Vater und ein Kind zu haben, überwältigend. Mit 17 hat die junge Frau sich in einen 20 Jahre älteren Mann verliebt, und mit 18 hat sie geheiratet und wurde Mutter.